Trauer-Gottesdienst

für ausgestorbene Tier- und Pflanzenarten in der ev.-luth. Kirche St. Petri und Pauli Bergedorf

21. November 2021 | Erhard | #Rückblick

Der letzte Sonntag des Kirchenjahres ist der »Ewigkeitssonntag« (auch »Totensonntag« genannt). Er ist in der Evangelischen Kirche dem Andenken an die Verstorbenen gewidmet. Neben dem Totengedenken wird in vielen Gemeinden auch zu einem bewussteren Umgang mit der Lebenszeit ermutigt.

In der St. Petri und Pauli Kirche in Hamburg Bergedorf fand in diesem Jahr erstmals als Gottesdienstexperiment ein Trauergottesdienst für ausgestorbene Tier- und Pflanzenarten statt, den ich für sehr gelungen halte und der als Inspiration für andere Gemeinden und XR-Gruppen dienen kann. Inklusive der Mitwirkenden haben ca. 40 Personen am Gottesdienst teilgenommen.

Vorbereitet wurde der Gottesdienst von einem Team der Kirchengemeinde, dem Umweltbeauftragten der Nordkirche, dem NABU und XR Bergedorf.

Zu Beginn wurde von einer XR-Red-Rebels-Aktivistin in einem berührenden Sologesang »Emergency« von Blythe Pepino vorgetragen. Pastor Andreas Baldenius machte eine kurze Einführung in das »Gottesdienstexperiment«, wobei er auf die Doppelrolle der Gottesdienst-Gemeinde als Trauernde und »Verantwortliche« einging. Denn wir betrauern ja das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten, das wir selbst verursacht haben. Eine weitere XR-Aktivistin führte uns kurz in die Problematik des Artensterbens ein und trug anschließend mit dem Pastor im Wechsel Verse u.a. aus Psalm 102 und Psalm 51 vor, die sie behutsam und sehr passend um aktuelle Bezüge (z.B. zum Klimagipfel in Glasgow und der eigenen Ohnmacht angesichts der Klimakrise) ergänzt hatten.

Der Predigttext war aus 1. Mose 9,8-17, die Bundeszusage Gottes an Noah. Jan Christensen, Umweltpastor der Nordkirche, betonte in seiner Predigt, dass Gottes Treue und Fürsorge allen Geschöpfen gilt, die in einem großen Netz des Lebens verwoben sind. Jedes Lebewesen hat ein eigenen Wert und sollte von uns nicht nur unter Nützlichkeitserwägungen betrachtet werden. Gott verpflichtet sich dazu, beizutragen, dass das Netz des Lebens nicht reißt. Er geht diese Verpflichtung einseitig ein, ohne dass sie an ein besonderes Verhalten von uns Menschen geknüpft ist. So haben wir bei aller Trauer und Sorge um die Zukunft eine Hoffnung, die uns tragen kann. Der Regenbogen soll uns daran erinnern.

Totengedenken für ausgestorbene Tier- und Pflanzenarten
Totengedenken für ausgestorbene Tier- und Pflanzenarten

Im anschließenden Totengedenken stellte eine Vertreterin des NABU stellvertretend zwölf Arten vor, die in Deutschland in letzter Zeit ausgestorben sind. Es wurden jeweils Bilder an die Leinwand geworfen und ein paar Worte zum Lebensraum des Tieres oder der Pflanze gesagt und was der Grund für das Aussterben war. Für jede ausgestorbene Art wurde im Gedenken eine Kerze entzündet.

Es folgten die Fürbitten, im Wechsel von Pastor Baldenius und einem XR-Aktivisten vorgetragen – auch sie hatten natürlich das Artensterben zum Thema – und das Vaterunser.

Eine sehr schöne meditative Idee war der anschließende Vortrag aus Psalm 104 (Lob des Schöpfers), während im Hintergrund auf einer Leinwand die Psalm-Worte von einer Sandmalerin dargestellt wurden.

Nach dem Segen wurde – dem Anlass angemessen – eine Kollekte eingesammelt für ein Projekt, das eine konkrete Art (die Somalispornlerche) vom Aussterben bewahren soll. Weitere Infos….

Die Auswahl der Lieder empfand ich als passend. Der Gemeindegesang wurde von einer Zwei-Personen Schola und Klavier unterstützt: Meine engen Grenzen, Eine Handvoll Erde und Gott gab uns Atem, damit wir leben.

Nach dem Gottesdienst waren wir eingeladen, noch in einem großen Kreis bei Brot und Wein beisammen zu sitzen und uns auszutauschen. Es war ein offenes und sehr ernsthaftes Gespräch, das am Ende länger gedauert hat, als der Gottesdienst davor. Etwa ein Drittel der Teilnehmer:innen hatte einen XR-Bezug. Die Frage, wie wir als Christ:innen und »Kirche« uns stärker für den Klimaschutz einsetzen können, spielte dabei eine zentrale Rolle. Eine Anmerkung eines Teilnehmers blieb mir besonders in Erinnerung: Er war mehr zufällig in der Veranstaltung gelandet und meinte, dass er zuletzt in der Öko- und Bürgerrechtsbewegung der DDR so einen Gottesdienst erlebt hätte.

Beseelt und ermutigt gingen wir nach Hause. Es ist geplant, dieses Gottesdienstformat in St. Petri und Pauli Bergedorf fortzuführen. Vielleicht fühlen sich auch andere Klimaaktivist:innen und Kirchengemeinden dazu ermutigt, einen vergleichbaren experimentellen Gottesdienst auszuprobieren?

Erhard

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